Samanthas Geschichte
Und plötzlich war alles anders!
Im Sommer 2021 fing alles an. Da hatte ich zwei Augenentzündungen. Als ich rund einen Monat später, Ende September, von einem verspannten Nacken geplagt wurde, ging ich davon aus, dass die Verhärtungen von einem geschwollenen Lymphknoten herrühren.
In dieser Zeit war ich als Teamleitung bei einer Spitex tätig. Ich schob es auf den Stress. Zur Sicherheit ging ich aber trotzdem zum Hausarzt. Dieser schickte mich zum Ultraschall, weil auch mein Lymphknoten in der Achsel geschwollen war. Dort wurde festgestellt, dass die Lymphknoten ein wenig vergrössert sind. Aber im Rahmen eines Infekts sei dies normal, sagte man mir.
Beim Hausarzt wurde Blut abgenommen. Aber auch hier fand man keinen Hinweis auf etwas Aussergewöhnliches. Allgemeine Symptome wie Schlafstörungen, Müdigkeit, verminderter Appetit usw. hatte ich auch nicht. Im Gegenteil: Ich fühlte mich recht fit. Dann bekam ich Aphten im Mund und wurde zum HNO-Arzt überwiesen. Er gab mir gute Mittel gegen die Aphten, aber sie kamen trotzdem immer wieder, und auch an meinem Hals und unter dem Kiefer waren immer wieder verschiedene Lymphknoten angeschwollen, jeweils für zwei bis drei Tage. Also beschloss der HNO-Arzt, dass man unter Ultraschall einen Lymphknoten «ansticht» und ins Labor sendet. Auch hier gab es kein klares Resultat. Man sah bloss erhöhte T4 Zellen, aber diese treten bei einer Grippe, HIV oder jeder normalen Infektion auch auf. Der Rat in diesem Gutachten war «Watch and Wait». Mit höchster Wahrscheinlichkeit sei es vom Infekt und kein Lymphom. Ich war also beruhigt.
Doch in der Zwischenzeit war es Ende November und mein Hals schwoll immer mehr an. So überwies mich der HNO-Arzt mit höchster Dringlichkeit ins Unispital Basel, weil ein Lymphknoten herausgenommen und genauer untersucht werden musste. Dort bekam ich dann auf Nachdruck einen Termin, wenige Tage später. Mittlerweile war auch der Lymphknoten in der Leiste angeschwollen und es schmerzte bei jedem Schritt. Der Oberarzt reagierte im Vorgespräch sehr schnell. Er machte sofort einen Ultraschall und sagte, dass meine Lymphknoten nicht nur massiv vergrössert, sondern zusätzlich auch noch verändert seien. Das erste Mal bekam ich ein wenig Angst. Aber weiterhin schob ich alles auf den Infekt und den Stress bei der Arbeit. Schliesslich hatten alle vorangegangen Untersuchungen diesen Schluss nahegelegt.
Der Arzt gab mir eine Woche später einen Termin für die Operation. Doch schon am nächsten Morgen rief er mich an und sagte mir, dass ich nun doch schon morgen kommen soll, er habe einen früheren Termin für die OP gefunden. In dieser Zeit beherrschte die Corona Pandemie das Gesundheitswesen der Schweiz. So musste ich am Nachmittag noch zum Covid Test und zum Aufklärungsgespräch. Also räumte ich bei der Arbeit alles zusammen und dachte, dass ich dann nach einigen Tagen wieder zurück bin. Doch es kam alles anders...
09.12.21 Unispital Basel HNO Bettenstation. An diesem Tag wurden mir am Hals drei Lymphknoten entfernt. Die OP verlief gut und ich konnte einen Tag später wieder nach Hause. Zuerst ging daheim alles gut. Die Naht am Hals schränkte mich ein wenig ein, aber mit Schmerzmitteln ging es ganz gut.
Zwei Tage später schwoll plötzlich mein Hals an und schmerzte. Ich dachte: «Das ist normal nach der OP». Da es Sonntag war, wartete ich noch einen Tag und ging am Montag auf die Notfallstation der HNO. Es wurde festgestellt, dass sich ganz viel Wundsekret gesammelt hatte. Die Naht musste an zwei Stellen geöffnet werden, damit das Sekret ablaufen konnte. Damit keine Infektionen auftreten konnten, musste ich alle zwei Tage zum Verbandwechsel und bekam Antibiotika verschrieben. Beim nächsten Verbandwechsel teilte mir dann die Ärztin mit, dass die Resultate vorliegen und ich ein Lymphom hätte. In diesem Moment brach für mich eine Welt zusammen und ich fing sofort an zu weinen.
Freitag, 17. Dezember 2021, Unispital Basel, Hämatologie: Ich war das erste Mal auf dieser Station. Es sollten weitere Abklärungen durchgeführt werden. Den ganzen Tag verbrachte ich hier. Und es wurde viel untersucht. Auch ein PET-CT wurde gemacht. Die Resultate deuteten alle auf ein Lymphom oder sogar eine Leukämie hin. Die Ärzte sprachen von einem sehr aggressiven Krebs und es sollte möglichst schnell mit einer Therapie begonnen werden. Am liebsten jetzt gleich. Aber der Professor beschloss dann, dass ich den ersten Teil der Therapie (Kortison Tabletten) zu Hause machen dürfe. So hatte ich eine Woche Zeit, um alles zu organisieren und zu verarbeiten. Bei der Arbeit würde ich sicher sechs Monate ausfallen. Ich war geschockt und wollte einfach zurück in mein Leben und wieder zur Arbeit. Doch das war leider nicht möglich, wie ich später erfahren musste.
Weihnachten verbrachten mein Mann und ich allein zu Hause. Ab sofort war ich todkrank und musste mich besonders schützen. Ich wurde kurz vor meinem 35. Geburtstag mitten aus dem Leben gerissen. Ab sofort sah mein ganzes Leben komplett anders aus.
Es folgten über fünf Monate immer wieder hochdosierte Chemoblocks im Spital. Dazwischen war ich zu Hause und erholte mich ein paar Tage, bevor die nächste Chemo kam. Leider verlief nicht immer alles nach Plan und gewisse Chemoblocks waren an längere Spitalaufenthalte gekoppelt. Nach drei Monaten wurde mir von der Ärztin mitgeteilt, dass ich mit Blutstammzellen transplantiert werden sollte. Aufgrund meines Alters und dem Fakt, dass es für mich viele passende Spender gäbe, hätte ich so die grösste Chance auf eine langfristige Heilung. Eigentlich wollte ich keine Transplantation durchführen lassen, denn das war in meiner Wahrnehmung nochmal eine ganz andere Geschichte als die Chemotherapie. Aber mein Mann und ich haben entschlossen, diesen Weg zu gehen. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es auch richtig.
02.Juni 2022 Unispital Basel, Isolierstation: Ich trete nach vier Wochen Erholung zu Hause wieder ins Spital ein. Dieses Mal war es aber etwas ganz anderes. Eine Woche wurde ich auf die Transplantation mit Hochdosis-Chemotherapie und Ganzkörperbestrahlung vorbereitet. Dann erfolgte am 09. Juni die Blutstammzelltransplantation über die Vene. Darauf folgte das lange Warten und Hoffen, dass alles funktioniert. Schon am 22 Juni kam vom Arzt die Nachricht, dass die neuen Blutstammzellen im Knochenmark angewachsen seien und sich langsam aufbauen. Ich hoffe, dass ich bald nach Hause kann. So langsam hatte ich das Spital satt. Doch leider entwickelt sich kurz darauf eine Abstossungsreaktion (GvHD) und ich muss noch ein wenig länger bleiben. Nach knapp sechs Wochen konnte ich endlich nach Hause. Und der lange Weg der Genesung mit vielen schönen Momenten begann. Leider gehören auch immer wieder kleine Dämpfer dazu, aber ich kämpfe mich irgendwie immer wieder zurück.
Heute, etwas mehr als ein Jahr nach der Transplantation, finde ich wieder zurück ins Leben. Die Krankheit hat alles verändert. Ich habe meinen Job verloren und arbeite nun bei einer anderen Spitex. Hier mache ich mit Hilfe der IV eine Wiederintegration ins Berufsleben. Auch körperlich hat sich vieles verändert. Ich habe einige Nebenwirkungen von den vielen Therapien und lerne gerade damit umzugehen. In meinem Alltag brauche ich immer wieder Pausen. Das alles zu akzeptieren und mein Leben neu zu gestalten ist ein langer Prozess, wenn er überhaupt je fertig sein wird… Aber ich gebe nicht auf und kämpfe mich weiter durch mein neues, zweites Leben, das mir geschenkt wurde.